Buch und E-Book sind jetzt Freunde - ein Selbstversuch mit Yassin Musharbash: Jenseits

Für viele Vielleser stellt sich irgendwann, spätestens wenn die Wohnung voll ist, oder der nächste Urlaub geplant (ja, man bekommt 10 Bücher im Handgepäck mit. Aber dann halt nichts anderes mehr), die Frage, ob man nicht für bestimmte Titel oder Anlässe doch auf digitales Lesen umsteigen möchte. Gerade bei Krimis stehe ich oft vor der Entscheidung, möchte ich das als E-Book oder doch lieber die Printausgabe? Und die Entscheidung fällt mir jedes Mal schwer. Und nicht nur einmal habe ich nach dem Lesen des E-Books die Printausgabe hinterhergekauft, weil ich es dann doch unbedingt im Regal stehen haben wollte.

 

 

Umso erfreuter war ich, als ich ungefähr Anfang 2016 zum ersten Mal von der App "Papego" hörte. Ich fand die Technik interessant, las mich durch die FAQs, lud mir im App-Store die App herunter und scannte eines der wenigen Bücher, die es damals mit dieser Zusatzfunktion gab. Das Herunterladen ist einfach, man muss auch kein Profil oder ähnliches einrichten, die Scanfunktion ist integriert. Alles ganz unkompliziert. Es funktionierte tadellos, ich begann das Buch zu lesen und freute mich auf die App für unterwegs. Leider hat mich der Text überhaupt nicht gepackt und so habe ich auch über die App nicht weitergelesen.

 

 

Inzwischen ist die Liste der papego-fähigen Bücher auf ca. 200 Titel erweitert und auch eines der Bücher auf meiner Leseliste lockt mit dem Logo der App. Also auf ein Neues!

 

 

"Jenseits" von Yassin Musharbash beginne ich gemütlich zuhause und dieser psychologisch und politisch hochinteressante Stoff zieht mich schnell in seinen Bann. Vorangestellt ist ein Zitat von John le Carré: "Der Schreibtisch ist ein gefährlicher Ort, um die Welt zu betrachten." und das gilt gleich im Prolog auch für mein Sofa: ich befinde mich zum Einstieg in diesen Thriller um einen IS-Kämpfer aus Deutschland gleich in einer kriegerischen Szene, IS-Krieger ziehen durch ein Dorf, und mittendrin befindet sich unsere Hauptfigur, Gent Sassenthin, ein deutscher Konvertit aus der Nähe von Rostock. Doch anders als seine Kampfgenossen scheint Gent sich sehr genau zu überlegen, wohin er seine Freudenschüsse abgibt. Querschläger sind gefährlich.

 

 

Nach diesem rasanten Einstieg scanne ich zum ersten Mal die nächste Buchseite mit der App und bekomme die Seiten 9-89 aufs Smartphone geschickt. Bis der Text geladen ist, dauert es eine ganze Weile und ich beginne mich zu fragen, ob das an der App oder meinem doch schon etwas älteren Smartphone liegt. Zur Gegenprobe leihe ich mir ein neueres Model und wiederhole das Ganze. Hier läuft die Datenübertragung wesentlich flüssiger. So schnell kann man sich also wie ein technischer Dinosaurier fühlen, aber ich hänge an meinem alten Phone. Nach dem Scannen und dem Download kann ich das Phone auch wieder vom Netz nehmen und offline lesen, wofür mein Datenvolumen doch recht dankbar ist.

 

Ein anderes Problem meines Geräts kenne ich bereits: ich habe ein Samsung Galaxy irgendwas-Mini. Der Bildschirm ist sehr klein, dafür passt es in jede Tasche. Beim Lesen ist die Bildschirmgröße allerdings ein Manko: bei der voreingestellten Schriftgröße der App wird mir nur ein Sechstel der Buchseite angezeigt, ich muss also für jede Doppelseite des Printbuches zwölfmal wischen statt einmal umblättern. Ich probiere also mit den angebotenen Schriftgrößen herum, bis ich ein Viertel der Textmenge einer Buchseite auf dem Bildschirm habe, die Schrift aber noch groß genug ist, um bequem zu lesen.

 

 

Beim Weiterlesen lerne ich nun die andere Seite des Terroristentourismus kennen: die Eltern von Gent sind nach Berlin gefahren, um in der Beratungsstelle Amal um Hilfe zu bitten. Was macht es mit einer Familie, wenn das Kind sich radikalisiert und ins Ausland in den Krieg zieht? Wie geht es den "Hinterbliebenen"? Wie gehen sie mit der Ungewissheit um, wenn das letzte Lebenszeichen eine SMS aus der Türkei ist, mit der Bitte, sich keine Sorgen zu machen? Die Eltern von Gent kommen aber mit einem Hoffnungsschimmer: Gent hat eine E-Mail geschrieben. Der Sozialarbeiter Titus Brandt übernimmt die Betreuung von Eltern und E-Mail-Verschlüsselung.

 

 

Ich muss schon sagen, sobald der Text sich in irgendeiner Weise mit Technik beschäftigt, hat es was, das digitale Lesen.

 

Ich beschließe, das Medium zu wechseln, denn nun befindet sich die Geschichte in einer äußerst analogen Situation, der Verfassungsschützer Sami Mukhtar hat sich in einer Bar einen One-Night-Stand eingehandelt (durch Drinkspendieren! ohne Tinder!) und muss die Dame nun wieder auf Abstand bringen. Den Rest der Nacht sinniert er über seinen Werdegang beim Verfassungsschutz, Schwerpunkt Analyse der sogenannten Gefährder, seine libanesische Herkunft und Probleme mit einem bestimmten Kollegen: Eulenhauer hat Interna an eine Zeitung weitergegeben, die Schlagzeilen sind äußerst reißerisch und unkorrekt.

 

 

Das nächste Kapitel beginnt mit dem Piepsen eines Mobiltelefons und das ist für mich das Signal, wieder zum Smartphone zu greifen. Die Journalistin Merle Schwalb vom Globus (wer möchte, kann nach der realen Vorlage für diese bundesweite Tageszeitung mit nicht allzu großem Anspruch an journalistische Genauigkeit und Neutralität suchen) wurde von ihrem Handy geweckt, nachdem auch sie sich die Nacht um die Ohren geschlagen hat: soll sie zu einem investigativen, inhaltlich anspruchsvollen Onlineportal wechseln oder lieber die sichere, aber unbefriedigendere Stelle beim Globus behalten? Jetzt steht aber erstmal die Redaktionssitzung an und die Frage, wer die nächste große Story bringt. Vielleicht ja Merle, die schon Kontakt zu einem Verfassungsschützer hat? Es ging in dem Telefonat um einen Islamisten aus Norddeutschland, der in Syrien für den IS kämpft...

 

 

Während sich die Geschichte um diese Figuren immer weiter verspinnt und zuspitzt, ich lerne, wie das Leben in einem Dorf des IS abläuft und wie die verschiedenen Institutionen zur Terrorabwehr in Deutschland zusammenarbeiten oder eben auch nicht, macht es mir Spaß, mit den beiden Lesemöglichkeiten zu spielen und Lesesituationen auszuprobieren. Dass mir im Auto beim Buchlesen schlecht wird, weiß ich schon, dass mir auch beim Lesen auf dem Smartphone flau wird, lerne ich dazu. Es gibt Situationen, da fällt man mit Smartphone in der Hand auf und andere, da wird man als Buchleser schräg angekuckt.

 

 

Es macht Spaß, das Medium dem Inhalt anpassen zu können, ich muss die Wechsel aber zumindest ungefähr planen, da die App nach jedem Scan immer nur ein Viertel des Buches hochlädt, um unberechtigte Nutzung zu verhindern. Für längere Ausflüge also doch eher ungeeignet, da das Buch 316 Seiten umfasst und ich deshalb nur immer die nächsten ca. 80 Seiten mitnehmen kann. Bei meinem Lesetempo reicht die Textmenge für ungefähr eine Stunde – zu wenig für den ganzen Urlaub, aber genug für einen Teil der Reise.

 

Die App ist sehr Akku-freundlich (wenn offline) und für meine Lesegewohnheiten ausreichend anpassungsfähig. Ich bin aber auch nicht anspruchsvoll, was Schriftarten und ähnliches angeht....

 

 

Das absolute Highlight aus der Kombination Buch und App offenbarte sich dann am 16.10.: Yassin Musharbash kam zur Lesung nach Osnabrück und ich konnte das Buch signieren lassen! Ein großer Vorteil des Printbuchs und dank Papego musste ich nicht auf den handlichen Lesespaß für unterwegs verzichten.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Jessica (Donnerstag, 02 November 2017 06:55)

    Ich finde die Idee dieser App auch sehr toll, so kann man beides haben ohne doppelt zu bezahlen und sich einschränken zu müssen.
    Außerdem klingt das Buch auch sehr interessant :)