"Kurt hat winzige Augen."
So beginnt Sarah Kuttners vierter Roman, "Kurt".
Lena ist gerade mit Kurt zusammengezogen. Oder mit eineinhalb. "Einem ganzen Kurt und einem Halbtagskurt", stellt sie fest. Der ganze, große Kurt und Lena haben sich ein Haus gekauft, sind aus Berlin ins idyllische Brandenburg gezogen, um den Halbtagskurt, Kurts 7-jährigen Sohn, näher bei sich zu haben, um ihm mehr bieten zu können.
Und zunächst ist alles friedlich und ziemlich schön. Lena und Kurt renovieren ihr Haus, diskutieren über Badfliesen, backen verrückte Torten aus Filmen und Büchern nach, bepflanzen den Garten. Jede zweite Woche wohnt der kleine Kurt bei ihnen. Dann wirbelt er durchs Haus und gießt die Blumen mit großer Hingabe. Seine Mutter Jana mag vielleicht nicht Lenas beste Freundin sein, aber die Familie funktioniert gut.
Lena genießt es, die beiden Kurts um sich zu haben, aber manchmal steht sie etwas hilflos vor ihrer Rolle als "Halbtagsstiefmutter". Dann fragt sie sich zum Beispiel, ob es ihr zusteht, den kleinen Kurt zurechtzuweisen. Ihr Freund sieht das gelassen. Sie solle einfach machen wie sie meint.
Und dann kommt der Tag, der alles ändert. Während der Schulpause fällt der kleine Kurt vom Klettergerüst auf dem Schulhof und bricht sich das Genick. Seine Mutter Jana, sein Vater und seine Lena fallen in ein Loch. Kurt - jetzt der einzige Kurt - und seine Ex-Freundin Jana suchen beieinander Halt, betrauern den gemeinsamen Verlust, ertränken die Erinnerungen in Alkohol. Aber Lena bleibt außen vor. Ihre Unsicherheit wird jetzt noch größer. Auch sie hat jemanden verloren, aber wiegt der Schmerz durch den Tod des eigenen Kindes nicht viel mehr?
Sarah Kuttner lässt Lena selbst erzählen, wie sich die Welt der kleinen, funktionierenden Patchwork-Familie für einen Augenblick scheinbar aufhört zu drehen und wie sie alles daran setzt,
die Hürden zu überwinden und wieder gemeinsam mit ihrem Freund glücklich zu werden.
Die Fernsehmoderatorin Sarah Kuttner hatte 2009 ihren ersten Roman "Mängelexemplar" veröffentlicht, der 2016 als Film in die deutschen Kinos kam. 2011 folgte "Wachstumsschmerz" und fünf Jahre später "180 Grad Meer".
In ihrem neuen Roman "Kurt" erzählt sie ruhig und unaufgeregt von der größtmöglichen Katastrophe, die über die kleine Patchwork-Familie einbricht, aber auch von dem Zusammenhalt, wenn alles auseinanderzubrechen droht. Sie erzählt locker und doch ernsthaft von den schwierigen Veränderungen, die das Leben so mit sich bringt und von dem Versuch, die Probleme zu überwinden.
Sarah Kuttner ist hier ein frischer, ernster, ehrlicher, berührender und absolut lesenswerter Roman gelungen.
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