Wir haben Beethoven-Jahr. Zugegeben, derzeit spricht man eher über andere Themen, und alle Konzerte und Ausstellungen sind erst einmal abgesagt. Trotzdem hätte der berühmte Komponist im Dezember Geburtstag - seinen 250. Und bei allem Verständnis für die aktuelle chaotische Situation, aber das ist doch mal ein Gedanke wert.
Neben all den Biographien gibt es auch einen neuen Roman. Albrecht Selge hat in "Beethovn" (Rowohlt-Verlag) ein besonderes Konzept: wenige Jahre vor dem Tod des großen Musikers macht sich ein junger Mann nach Wien auf, um dort sein großes Vorbild zu suchen. Doch Beethoven ist nicht zu finden.
Im nächsten Kapitel wechselt die Perspektive. Im folgenden erneut. Und so geht es immer weiter.
Selge lässt also verschiedenste Zeitgenossen (und eine Vorfahrin) Beethovens zu Wort kommen, nie jedoch den Komponisten selbst. Der Leser bekommt ein Bild von "Betthofen, Bethofn, Beethouven" (jeder Erzähler hat nicht nur seine eigene Erzählweise und Ton, sondern auch eine eigene Schreibweise des Namens) präsentiert, das immer nur eine Außenansicht ist.
Da traut sich Franz Grillparzer nicht, das eigens für Beethoven geschriebene Stück "Melusine" dem Empfänger zukommen zu lassen, obwohl dieser es doch eigentlich vertonen möchte. Da versucht ein Journalist verzweifelt, ein Gespräch im Kaffeehaus zu belauschen und muss resigniert mitansehen, wie der taube Komponist mit Zettel und Stift mit seinen Begleitern kommuniziert. Da erinnert sich die unsterbliche Geliebte an bessere Zeiten zurück.
Beethoven selbst wird nur jeweils am Kapitelanfang aktiv - mehr oder weniger. "Beethoven war nicht da", heißt es da, oder "Beethoven atmete". Immerhin.
Alles in allem kann man sagen, dass "Beethovn" keine federleichte Bettlektüre ist, ja, manche Sätze grenzen gefährlich nah an Arbeit. Und dennoch ist der Roman empfehlenswert, gibt er doch eine ganz eigene, besondere Annäherung an einen besonderen Künstler. Vor allem, aber nicht nur, für Musikfreunde dringend lesenswert.