Maya Lasker-Wallfisch: "Briefe nach Breslau"

Gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Raphael wächst Maya bei ihren Eltern in London auf. Zwar hat sie keine Großeltern mütterlicherseits, doch fragt sie nie nach ihnen; grundsätzlich kommt das Thema in der Familie nicht zur Sprache.

 

Als Teenager durchwühlt sie heimlich die Kommode ihrer Mutter und findet eine Mappe mit Fotos und Berichten. Die Bilder verstören sie, doch weil die Kommode der Mutter eigentlich tabu ist, traut sich Maya nicht, mit ihr über ihren Fund zu sprechen.

 

Und so geht alles seinen Gang. Die Eltern sind Musiker und viel unterwegs, auch Raphael musiziert. Nur Maya scheint kein Talent in der Richtung zu haben und fühlt sich oft als Außenseiter. Sie rebelliert, fliegt von der Schule, nimmt Drogen. Mit 17 schmeißt der Vater sie zuhause raus. Sie zieht in ihre erste eigene Wohnung, nur wenige Meter vom Elternhaus entfernt. Doch statt des erhofften Sinneswandels geht es jetzt erst einmal richtig bergab mit ihr.

 

Sie heiratet früh und verlässt mit ihrem Mann das Land, damit er seiner Verhaftung entgehen kann. Nach etlichen Jahren, mehreren Beziehungen und einigem Auf und Ab findet sich Maya schließlich in einer Entziehungskur wieder. Und endlich packt sie ihr Leben an.

 

Mayas Geschichte ist aber nicht nur eine Geschichte vom Absturz und Kontrollversucht. Mayas Geschichte ist die Geschichte dreier Generationen. Ihre Mutter, die berühmte Cellistin Anita Lasker-Wallfisch, spielte im Mädchenorchester von Auschwitz und konnte so sich und ihrer Schwester Renate das Leben retten. Mayas Großeltern hatten nicht so viel Glück. Sie wurden von den Nazis ermordert.

 

Erst als erwachsene Frau erfährt Maya die ganze Geschichte ihrer Familie. Fortan schreibt sie Briefe an die verstorbenen Großeltern in Breslau, schildert ihnen, was ihren Töchtern während und nach dem Krieg geschah. Und sie beginnt zu forschen: Transgenerationales Trauma, so findet sie heraus, nennt sich das, was sie und ihre Familie erlebten.

 

 In "Briefe nach Breslau" lässt diese beeindruckende Frau die Leser an ihrer Entwicklung teilhaben. Mutig und offen beschreibt sie ihre persönlichen Erfahrungen, Schwierigkeiten und Wege und macht so die Geschichte (und die Psychologie!) ein Stück lebendiger und begreiflicher.

 

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