Buchhandlung zur Heide ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchhandlungspreis 2021 - Ein Jahresrückblick

Mehrere Jahre Planung hatten uns nicht annähernd darauf vorbereitet was dieses Jahr bringen sollte. Doch beginnen wir von vorn. Zum 1. Januar 2020 übernahmen wir die Buchhandlung zur Heide von unserem Vorgänger Lennart Neuffer, der in den vergangenen Jahren mit viel Engagement eine Buchhandlung geschaffen hatte, die er nun Ruhestand bedingt und mit ruhigem Gewissen in die Hände seiner Nachfolger geben wollte. Zu Beginn des Jahres fand die offizielle Verabschiedung von Lennart Neuffer statt. Viele langjährige Stammkunden und der Buchhandlung verbundene Freundinnen und Freunde waren gekommen, auch um uns als den Nachfolgern viel Erfolg zu wünschen. Ein Auftritt eines Musiker-Duos rundete die Abschiedsparty für Herrn Neuffer ab. Es konnte nun also richtig losgehen!

 

 

Von literarischen Hamsterkäufen

 

Ebenso wie vor 100 Jahren sollte auch dieses Jahr große Veränderungen mit sich bringen. Den Begriff „Lockdown“ kannten viele zuvor nur aus Büchern und Filmen. Einige wenige Kundinnen und Kunden bereiteten sich langsam auf das vor was kommen musste und deckten sich mit Bücherstapeln ein – im Übrigen die einzig sinnvollen Hamsterkäufe als andernorts bereits das Toilettenpapier knapp war. Dann kam der 22. März und die Buchhandlung wurde wie alle anderen Geschäfte auch geschlossen. Selbst das Abholen von Büchern an der Tür war nicht gestattet. Diese drastischen Entscheidungen wurden innerhalb nur weniger Tage beschlossen, so dass praktisch kaum Vorlaufzeit blieb. So hatten wir uns den Start als neue Inhaber der Buchhandlung sicher nicht vorgestellt. Im nächsten Businessplan, der hoffentlich niemals benötigt werden wird, wird sicherlich der Punkt „Für den Fall einer Pandemie“ auftauchen. So wie wir selbst auch, waren auch viele Kunden sichtlich „überrumpelt“ von der Schließung der Buchhandlung für den Publikumsverkehr. Das Telefon klingelte praktisch ununterbrochen, Kunden bestellten Bücher und waren sich gleichzeitig unsicher, wie sie dann an die Bücher herankommen sollten. Praktisch über Nacht wurden wir also zu Logistikern und organisierten die Lieferung jedes bestellten Buches. Zu diesem Zeitpunkt konnte uns auch niemand die Frage beantworten, was passieren würde, sollte sich ein Mitarbeiter mit dem Virus infizieren? Quarantäne für alle Kolleg:innen? Vorsorglich arbeiteten wir daher in Schichten: Mittags als die Spätschicht zur Arbeit kam, ging die Frühschicht zur Hintertür hinaus.

 

 

Völlig neue Kommunikationswege

 

Positiv in dieser Zeit war, dass wir unsere Kund:innen ganz neu kennenlernten. Viele Sprachen uns Mut zu, bestellten Bücher, kauften Gutscheine, über Telefon, Email und unseren neu ins Leben gerufenen Instagram-Kanal1, sowie die kurzfristig geschaffene Möglichkeit der Bestellung via Whatsapp und Signal Messenger Apps. Es zeigte sich, dass gerade die neu angeschaffte Warenwirtschaft und deren Anbindung an unseren Online-Shop uns half, die Flut von Online-Bestellungen zu bearbeiten. Waren es bisher ungefähr 10 Bestellungen gewesen, die uns über unseren Webshop täglich erreichten, waren es nun in der Spitze über 100 Bestellungen täglich. Die Buchhandlung glich Ende März daher eher einem Logistik-Zentrum. Auf jeder Ablagestelle einschließlich des Fußbodens wurden Kundenbestellungen gesammelt, bis sie fertig für die Auslieferung waren. Das Volumen an täglichen Lieferungen erreichte in der Woche vor Ostern den Höhepunkt mit 120 Lieferungen täglich – Postsendungen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Lieferungen erfolgen täglich ab 15 Uhr und teils bis spät in die Nacht bis 23 Uhr. In dieser Zeit haben wir nicht nur unsere Kund:innen neu kennengelernt, sondern auch unsere Stadt bis in die entlegensten Wohngebiete. Die Menschen waren froh, in dieser Zeit etwas lesen zu können und wir waren froh, weiter arbeiten zu können.

Denken an die Zeit nach dem Lockdown: wie bekommen wir unsere Kund:innen wieder in die Buchhandlung?

 

 

Um auch nach Ende dieses Lockdowns möglichst bald wieder Menschen in unserer Buchhandlung zu begrüßen, veranstalteten wir eine „Tüten-Tombola“: Wir lieferten Bücher meist in Kunststofftüten, die wir von unserem Vorgänger übernommen hatten. Da wir aus ökologischen Gründen sonst nicht solche Verpackungen in Umlauf bringen möchten, beschlossen wir einen Anreiz zu setzen, dass die Menschen uns diese Tüten zurückbringen. Jede dieser Tüten, die zurückgebracht wurde, konnte gegen ein Gewinnspiel-Los eingetauscht werden.

 

An die Fortsetzung unseres Lesungsprogramms war vorerst nicht zu denken, Krisenmanagement stand auf der Tagesordnung. So mussten Veranstaltungen wie die Lesung von Michael Kumpfmüller („Ach, Virginia“) oder auch eine Veranstaltung der „Omas gegen Rechts“, die in unserer Buchhandlung stattfinden sollte, abgesagt werden.

 

 

 

Als wir im April die Buchhandlung wieder für unsere Kundinnen und Kunden öffnen durften, geschah dies wieder mit minimaler Vorlaufzeit. An nur einem Wochenende verwandelte sich unser Logistik-Zentrum wieder zurück in eine Buchhandlung, so dass wir Montagmorgen wieder die Türen öffnen konnten. Viele Kund:innen waren noch sehr vorsichtig, so dass wir zwar einerseits wieder vor Ort Bücher verkaufen konnten, andererseits blieb aber das Liefervolumen noch sehr hoch.

Neu im Team: „Lasti“ unser Lastenfahrrad

 

Im Mai hatten wir, auch dank der Förderung der Stadt Osnabrück, die Möglichkeit, ein elektrisches Lastenfahrrad anzuschaffen. So konnten wir das unverändert hohe Liefervolumen zu einem großen Teil umweltfreundlich und gerade auch im Innenstadtbereich deutlich effizienter gestalten. Unser Lieferfahrrad hat sich bei unseren Kund:innen seitdem als echter Sympathieträger entpuppt und war sogar Gegenstand eines Malwettbewerbs, den wir für kleine und große Leser veranstalteten.

 

Neustart des Lesungsprogramm unter Corona-Bedingungen

 

Im Herbst konnten wir dann endlich unser Lesungsprogramm fortsetzen: Dirk Kurbjuweit stellte seinen historischen Roman „Haarmann“ im BlueNote des Cinema-Arthouse vor. Es folgten Nava Ebrahimi („Das Paradies meines Nachbarn“) und Heinrich Thies mit seiner Doppelbiografie „Die verlorene Schwester - Elfriede und Erich Maria Remarque“. Letztere Lesung fand unter musikalisch zeitgenössischer Begleitung statt. Diese drei Veranstaltungen konnten nur unter strengen Auflagen, wie einer Personenbegrenzung und eine Erfassung der Kontaktdaten aller Besucher stattfinden und wären daher ohne die freundliche Förderung des Fördervereins Buch nicht möglich gewesen. Im Oktober präsentierte Marie-Luise Braun ihr Sachbuch „Spitzenkräfte“ in einem multimedialen Vortrag, bevor dann eine Premiere für Osnabrück anstand: Erstmalig konnten wir als Mitveranstalter die LiteraTour Nord in Osnabrück begrüßen. Roman Ehrlich las aus „Malé“.

 

Es sollte die letzte „richtige“ Lesung in diesem Jahr bleiben, da die folgenden Termine der LiteraTour Nord den verschärften Einschränkungen zum Opfer fielen und deshalb nur als Videoaufzeichnungen, die unter der Regie des Literaturhauses und der Universität Hannover produziert wurden, online nachgeholt werden konnten. Weiterhin erprobten wir am 25. November mit Hanns-Josef Ortheil die erste Lesung der Buchhandlung zur Heide, die ausschließlich via Live-Stream verfolgt werden konnte.

 

Weihnachtsgeschäft im Buchhandel mal ganz anders und mit Video-Adventskalender

 

 

Der Dezember hielt das wohl ungewöhnlichste Weihnachtsgeschäft der Buchhandlung bereit: Die noch immer geltenden Personenbegrenzungen und die nicht ausbleibenden Hinweise, alle Kund:innen mögen doch einen Mund-Nasen-Schutz tragen, bevor sie eintreten, verlangten unseren Mitarbeiter:innen alles ab. So kam es zu einem hoffentlich einmaligen Novum, dass für den Einlass in die Buchhandlung an den Adventssamstagen ein Ordnungsdienst beschäftigt werden musste. In Vorbereitung auf das Weihnachtsgeschäft hatten wir zuvor bereits unseren Kassenbereich erneuert, um so mehr Platz für unsere Besucher:innen zu schaffen. Die gesamte Vorweihnachtszeit über hielten wir den Kontakt zu unseren Kund:innen, in dem wir einen Video-Weihnachtskalender produzierten und via Youtube veröffentlichten. Auch, wenn unsere Buchhandlung bereits eine Woche vor Weihnachten für den Publikumsverkehr schon wieder schließen musste, sorgten wir in zahlreichen Liefer-Spätschichten dafür, dass die Weihnachtsgeschenke alle rechtzeitig ausgeliefert werden konnten.

 

 

 

Wir blicken zurück auf ein Jahr, das so wohl niemand vorhergesehen hatte. Viele unserer Lesungen konnten nicht stattfinden, andere nur unter großen Einschränkungen. Wir haben nehmen dennoch viele positive Dinge mit, wie die Unterstützung unserer Kund:innen, das außerordentliche Engagement aller Mitarbeiterrinnen auch unter widrigsten Bedingungen, sowie viele geglückte Neuerungen wie unser Lastenfahrrad, unseren stetig wachsenden Instagram-Kanal, der einen völlig neuen Weg der Interaktion mit Kund:innen, Autor:innen und Verlagen ermöglicht, oder auch Online-Lesungen.

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Kommentare: 2
  • #1

    M. Lenzen (Donnerstag, 08 Juli 2021 13:59)

    Ich gratuliere ganz herzlich zum Deutschen Buchhandlungspreis 2021 und wünsche weiterhin viel Erfolg trotz aller Corona-Vorgaben!

  • #2

    Monika Bruhn (Donnerstag, 08 Juli 2021 23:05)

    Liebe Kathrin, lieber Basti, und alle anderen Mitarbeiter. Wir freuen uns mit Euch über die Auszeichnung mit dem Deutschen Buchhandelspreis 2021. Das ist eine Anerkennung Eurer Arbeit in dieser besonders schwierigen Coronazeit!