Der Frankfurter Buchmesse wird traditionell große mediale Aufmerksamkeit zuteil. Und das zu Recht, ist sie doch eine größten und bedeutendsten internationalen Buchmessen.
Wie wichtig ist die Buchmesse für unsere Buchhandlung?
Disclaimer: wenn Sie keine Lust auf das Thema rechte Verlage auf der Buchmesse haben, lesen Sie besser nur den folgenden, ersten Absatz
Klar, Bücher und Autor:innen, die auf der Messe im Rampenlicht stehen, werden erwartbar stärker nachgefragt als andere. Für die Buchhändler:innen Ihres Vertrauens sind die dort vertretenen Werke jedoch keine Neuheiten mehr. Zum Zeitpunkt der Messe befassen wir uns inhaltlich mit den Texten, die in den nächsten sechs Monaten erscheinen werden. Umgekehrt heißt das, dass die meisten im Rahmen der Buchmesse diskutierten Titel uns schon Monate im Voraus bekannt waren und die für uns wichtigsten auch schon längst in unseren Regalen zu finden sind. Die Buchmesse selbst ist aus buchhändlerischer Sicht also nicht so spannend, dass sich ein ausgedehnter Besuch lohnen würde – allein schon finanziell (für diejenigen, die wissen was Hotelzimmer zu Messezeiten kosten). Eine Ausnahme stellen natürlich Termine mit verschiedenen Kontakten aus der Buchbranche dar, die man dort konzentriert auf einem Fleck antreffen kann und so viele Termine innerhalb kurzer Zeit wahrnehmen kann. Wenn man nun aber nicht gerade solche Termine mit Verlagen und Dienstleistern hat, ist ein Besuch auf einer Messe mehr Stress als alles andere. Die stattfindenden Lesungen sind gut besucht, so dass ein Platz, von dem man die Autor:innen auch sehen kann meist frühzeitig gesichert werden muss. Wenn sich nun mehrere interessante Lesungen oder Bühnengespräche überschneiden, hat man leider Pech gehabt. Inhaltlich bleibt da vieles auf der Strecke, so dass man bei einem Besuch schon sehr selektiv vorgehen sollte hinsichtlich der unterschiedlichen Angebote. Viele Gespräche werden glücklicherweise aufgezeichnet, so dass man sie sich auch bequem nach Feierabend anhören kann. Wenn man schon nicht hinfährt, oder hinfahren kann, dann sollte man aus fachlicher Sicht doch zumindest einiges mitbekommen was in Frankfurt passiert, oder auch nicht passiert.
Nicht passiert ist in diesem Jahr z.B. der Messebesuch von Autorin Jasmina Kuhnke. Die Autorin hätte auf der Bühne des ZDF lesen sollen. Große Aufmerksamkeit also für ihr gerade frisch erschienenes Buch „Schwarzes Herz“. Es hätte einer der wenigen öffentlichen Auftritte der Autorin mit ihrem Buch sein sollen. Nun hat der Messeveranstalter jedoch einen rechten Verlag in unmittelbarer Nähe zu dieser Bühne platziert. Der Verleger dieses Verlages ist bekennender Rechtsextremist, hat in der Vergangenheit die Abschiebung der Schwarzen Autorin Kuhnke gefordert und zwar nicht nach Hagen, wo sie geboren ist. Die Autorin wird bereits über einen langen Zeitraum von Rechten angefeindet, bedroht, ihre Adresse wurde veröffentlicht, sie wurde zum Wechsel ihres Wohnortes gezwungen.
Rechte Verlage auf der Buchmesse
Nun sind die Besucher von Verlagen mit offen rechter Orientierung seit langem bekannt dafür, nicht gerade zurückhaltend zu reagieren, wenn offen andere Meinungen vertreten werden. Da werden gerne schon mal im Vorfeld einem „taz“ Journalisten eine Zwangsrasur und eine Tätowierung des Schriftzugs „Deutschland“ in Fraktur und über das Gesicht angedroht1. Oder es wird auf ein Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung eingeprügelt2. So gehen Rechte eben mit anderen Meinungen um. Das sollte hierzulande längst keine Neuigkeit mehr sein. Es ist also nachvollziehbar, dass die Autorin zum Selbstschutz nicht zur Buchmesse kommen wird, wenn dort die Aussicht besteht, eine Lesung im Angesicht derer zu veranstalten, die ihr das Recht absprechen, in ihrem Geburtsland leben zu dürfen.
Manche werfen Jasmina Kuhnke nun sogar vor, die Buchmesse beschädigt zu haben3. Die Buchmesse begründet die Präsenz rechter Verlage mit der Meinungsfreiheit und stellt die Frage auf „Wo endet die Meinungsfreiheit, wo beginnt Zensur?“4 Sind nun also solche „Meinungsäußerungen“ schützenswert? Ist diese Meinungsfreiheit schützenswerter als die persönliche Sicherheit einer Besucherin der Messe? Rechte testen seit Jahren ihre Grenzen aus und überschreiten sie regelmäßig, nicht nur auf der Buchmesse. Ob ein Boykott der Messe angesichts dieses Bildes das richtige ist, sollte jede:r für sich selbst beurteilen. Nicht die Autorin hat die Messe beschädigt, indem sie für sich eine nachvollziehbare Entscheidung getroffen hat. Die Buchmesse hat sich in erster Linie selbst beschädigt, in dem sie solchen Verlagen regelmäßig eine internationale Bühne gibt. Dass man vor dieser neuen Rechten nicht zurückweichen sollte, ist jedoch ebenso richtig und wichtig, letzten Endes aber immer eine persönliche Entscheidung. Wie schon die wenigen Beispiele oben zeigen, werden Rechte jedes Mittel nutzen, den Platz zu verteidigen, den ihnen die Messeleitung im kleinen, wie auch unsere Gesellschaft im großen Maßstab gewährt – sie schrecken dabei auch vor Gewalt nicht zurück.
Die Messe beansprucht für sich, ein Spiegel der Gesellschaft zu sein und die Meinungsfreiheit als hohes Gut zu schätzen. Rechtsextreme Positionen haben aber keinen Platz in unserer Gesellschaft und Faschismus ist keine Meinung. Gerade als Veranstalter einer international renommierten Messe sollte man daher deutlich früher rote Linien ziehen. Dass dies rein rechtlich betrachtet schwierig werden könnte, weil ein Verlag sich die Teilname notfalls vor Gericht einklagen könnte, ist aber ebenso klar. Man könnte also zumindest etwas Problembewusstsein zeigen bei der Vergabe der Messestandplätze: Ist es notwendig, Rechten eine große Bühne neben dem „Blauen Sofa“ des ZDF zu geben, oder könnte man die rechten Verlage nicht einfach dort platzieren, wo sie hin gehören, nämlich in die rechte Ecke, weit weg von dem, was unsere Gesellschaft lebenswert macht (nicht auf das ZDF bezogen)? Auf der Buchmesse sind übrigens genügend andere rechte Verlage, so dass man bei einer Bündelung dieser Verlage in einer einzigen Halle der Mehrheit der Besucher:innen in allen Bereichen anderen einen deutlich angenehmeren Messebesuch ermöglichen könnte. Ganz nebenbei wäre es aus Polizeisicht auch deutlich einfacher Ausschau zu halten nach verfassungswidrigen Symbolen etc.
1 https://taz.de/Rechtsextreme-auf-der-Buchmesse/!5810177/
2 https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-buchmesse-interview-nico-wehnemann-rechte-verlage-boykott-identitaere-bewegung-bjoern-hoecke-news-91063319.html
3 https://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/2457961/warum-jasmina-kuhnke-die-frankfurter-buchmesse-beschaedigt-hat?amp
4 https://www.buchmesse.de/presse/pressemitteilungen/2021-10-24-73-frankfurter-buchmesse-neustart-der-buchbranche
Verfasser: BL
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