Michael Hartung führt ein ruhiges Leben. Vor einigen Jahren hat er eine Videothek in Berlin übernommen, die inzwischen mehr als nur schleppend läuft. Das scheint sowieso ein bisschen das Motto seines Lebens zu sein: was auch immer er anfasst, welchen Beruf auch immer ergreift, wenige Jahre später scheint alles obsolet zu werden.
Seine Tochter wohnt mit ihrem Mann und den Kindern mit den merkwürdigen Namen in Süddeutschland. Der Kontakt zwischen ihnen ist eher mäßig. Wohlwollend formuliert.
Im Herbst 2019 aber passiert etwas Erstaunliches. Ein Mann betritt die Videothek. Das an sich ist schon fast erstaunlich genug, doch der Mann gibt sich als Journalist zu erkennen. Er möchte Hartung interviewen, schließlich habe der doch damals einen S-Bahn-Zug am Bahnhof Friedrichstraße aus der DDR nach West-Berlin umgeleitet. Ein Held also! Und wie passend wäre da eine Story zum nahenden Mauerfall-Jubiläum.
Hartung wehrt sich. Er möchte nicht mit dem Journalisten sprechen, fühlt sich auch ein bisschen veräppelt. Ja, er habe damals für die Ost-Berliner S-Bahn gearbeitet, auch in jener Nacht. Doch absichtlich umgeleitet hat er eigentlich gar nichts. Als der Journalist Hartungs anfängliche Weigerung, ein Interview zu geben, mit Bescheidenheit verwechselt und ihm daraufhin ein Honorar anbietet, kommt Hartung ins Grübeln. Er ist einige Monate mit der Miete für seinen Laden im Rückstand, das Geld käme also durchaus nicht ungelegen.
Und so schlittert er hinein in seine Rolle als Held. Er gibt Zeitungsinterviews, tritt im Fernsehen auf - und soll schließlich sogar im Bundestag eine Rede halten.
Als sich eines Tages eine junge Frau meldet, die als kleines Kind in eben jener S-Bahn saß und sich in Hartung verliebt, muss er seine neuentdecke Berühmtheit noch einmal völlig überdenken.
"Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße" von Maxim Leo macht Spaß. Es ist ein kurzweiliger, fröhlicher aber nicht alberner Roman, der im besten Sinne gut unterhält.
Verfasst von: EJ
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