TW: Sexuelle Gewalt
Als 1959 im französischen Rouen ein kleines Mädchen geboren wird, sind die Eltern irritert. Sie haben ja schon ein Mädchen. Ein Junge hätte es werden sollen. Der Vater ist so fest vom ersehnten Sohn ausgegangen, dass er sich gar nicht erinnert, welchen Mädchennamen sie für den Notfall ausgesucht hatten. Er nennt seine jüngere Tochter Laurence.
Laurence und ihre Schwester Claude wachsen auf in den engen Grenzen des Elternhauses. Als Mädchen dürfen sie sich nicht schmutzig machen, sollen stets höflich, fleißig und ruhig sein. Als sie von einem älteren Verwandten sexuell missbraucht werden, sollen sie darüber schweigen, denn "schmutzige Wäsche wird in der Familie gewaschen". Wenn ihr Freundeskreis zeltet, dürfen sie nur im Haus der Großmutter übernachten.
Doch Laurence schafft es irgendwie, ihren Weg zu gehen, auch wenn sich immer wieder Hürden offenbaren. Am Londoner Hauptbahnhof wartet sie zunächst vergeblich auf die Gasteltern. Schließlich klärt sich das Missverständnis: sie hatten wegen des Vornamens "Laurence" einen Jungen erwartet. Jahre darauf lässt sie mit der Hilfe eines Freundes eine Abtreibung bei einer Ärztin in Paris vornehmen, als sie, noch minderjährig, ungewollt schwanger wird. Die Eltern erfahren nichts davon.
Als sie später verheiratet ist und erneut schwanger wird, ist die Freude zunächst groß. Ein Junge! Endlich ein Enkel für den Vater, der auf die Frage, ob er Kinder habe, stets mit "Nein, ich habe zwei Mädchen!" antwortet. Doch erneut soll es anders kommen, als gedacht.
In "Es ist ein Mädchen" beschreibt Camille Laurens das Aufwachsen und Leben eines ganz normalen Mädchens. Sie beschreibt die Grenzen, Anforderungen und den Druck, den das Mädchen- bzw. Frau- und Mutter-Sein auch noch heute in aufgeklärten Gesellschaften mit sich bringt.
Besonders spannend: die wechselnden Erzählperspektiven. Mal erzählt Laurence direkt selbst, mal wird über sie erzählt, mal wird sie angesprochen - je nachdem, welcher Lebensabschnitt gerade erzählt wird.
Verfasst von: EJ
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